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Porträts

Sangeeta Judith Keller

Der Wunsch, in Indien zu leben, sass seit der Kindheit tief. «Als kleiner Knirps hörte ich, dass die Menschen dort die Kühe anbeten, statt sie zu essen. Das hat mich beeindruckt. Da wollte ich hin.» Die Eltern musste Judith Keller allerdings zuerst mit einer Rebellion, die in einem konsequenten Lernstreik gipfelte, davon überzeugen, dass sie nun doch nicht Lehrerin werden wollte. Stattdessen bereitete eine Ausbildung zur Krankenschwester sie auf ihre künftige Aufgabe vor.

1972 reiste sie ins Land ihrer Träume, um im Orden der Kleinen Schwestern unter den Ärmsten zu leben.

In Varanasi, der heiligen Stadt am Ufer des Ganges, kümmerte sie sich um Leprakranke. Wenn sie heute erzählt, wie sich die Schwestern damals die Zähne an ihrer Eigenwilligkeit ausbissen, lacht sie:. «Es lag von klein auf in meinem Wesen, den eigenen Weg zu gehen.»

Deepu

Als Deepu drei Jahre alt war, ließ ihr Vater sie mit den Worten „Ich gehe nur schnell Wasser holen“ auf dem Bahnhof zurück. Er kam nie wieder. Der Grund: Deepus Beine, die aufgrund einer Polioerkrankung gelähmt sind.

Leider ist sie nur eines von vielen Kindern in Indien, die aufgrund ihrer Behinderung bereits in sehr jungen Jahren so viel Leid und Schmerz sowie Ausgrenzung erfahren haben.

Nicht alle Familien greifen auf diese radikale Methode zurück, aber diejenigen, die bei ihren Familien bleiben, haben oft nicht viel mehr Glück. Aufgrund des niedrigen Bildungsniveaus, des Mangels an Informationen, der fehlenden medizinischen Versorgung und der hohen Armut fühlen sich viele Eltern oft überfordert und im Stich gelassen.
Sie verstehen nicht, dass sich ihr Baby nicht wie andere entwickelt, warum es nicht krabbeln, rennen, sprechen oder Gefühle ausdrücken kann. Eltern schämen sich dann und verstecken ihre Kinder zu Hause, wo sie vernachlässigt und manchmal sogar missbraucht werden.

Ravi

Vielen Besuchern fällt im Kiran ein junger Mann auf, der da im Rollstuhl spazieren geführt wird. Das ehemalige Findelkind Ravi bedarf in seiner Hilflosigkeit besonderer Hingabe, die es mitunter trotz seiner Sprachlosigkeit auch zurückstrahlt. Ravi gab durch sein Hiersein den Anstoss zum Bau des Ravinivas, in dem er selber wohnen darf und in dem regelmässig junge Menschen mit schwerer Behinderung mit der Mutter oder den Eltern für je eine Woche in die "Ferien" kommen. Zweck: Mother's Training.

Die allermeisten Volunteers haben den schwerbehinderten Buben / Mann noch in guter Erinnerung. Volunteer Paul Filippetto, Englischlehrer aus Castelfranco (Veneto I) mit seiner Frau Petra Frisan und drei Kindern im Kiran von September bis Mitte Januar 2011, schreibt über seine Erfahrung mit dem jungen Mann und trifft damit wahrscheinlich die Erfahrung so vieler ehemaliger Volunteers.

Seit unserer Ankunft haben Petra und ich bei der Pflege von Ravi, einem jungen Mann mit schwerer CP, mitgeholfen. Ravi wurde vor etwa 20 Jahren vom Kiran adoptiert, nachdem er auf den Treppenstufen zum City Hospital ausgesetzt worden war. In erster Linie versuchen wir, seiner Vollzeitpflegerin Clementia etwas die strenge Arbeit abzunehmen. So bade ich ihn jeden Morgen und Petra nimmt ihn zweimal am Tag mit für Spaziergänge und andere Tätigkeiten. Er liebt das Schwimmbad, das Trampolin und das Spiel mit unseren Buben. Jeden Abend verbringt er einige Zeit vor dem Nachtessen hier in unserem Guesthouse. Das ist für ihn eine gute Gelegenheit, seinen Alltag zu durchbrechen und für unsere Kinder, sich mit ihm zu abzugeben. "Uns gefällt es sehr, den Rollstuhl zu stossen. Jeden Morgen machen wir mit ihm ein Rennen vom Haus zur Versammlungshalle. Es macht Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Wenn er bei uns ist und nichts tut und gelangweilt aussieht, werfen wir ihm den Ball zu, und er lacht und lacht."
(Alex und Leo)